Architektur als Botschaft

(Rede anlässlich der Eröffnung der Emmaus City-Farm St. Pölten)

„Architektur ist die Dienerin der Macht“. So lautet eine der vielen Definitionen von Architektur, und sie ist leicht nachvollziehbar.

Als Dienerin der weltlichen Macht brachte sie Festungen und, Schlösser und heute auch Hochhäuser und Bürotürme für die Macht des Geldes hervor, für die Macht der Religionen Pyramiden, Tempel, Kathedralen und Klosteranlagen. Diese Architekturen zeigen mit eindrucksvollen Dimensionen oder kühnen Konstruktionen den gesellschaftlichen oder kultischen Status ihrer Auftraggeber und sind ein Abbild der jeweiligen Gesellschaft, in der Vergangenheit wie in der Gegenwart. Architektur dient in diesen Fällen immer den Herrschenden.

Es gibt aber, so glaube ich, auch eine andere Macht, nämlich die Macht der Nächstenliebe, der Caritas.
Und deren Dienerin will die Architektur, die wir heute einweihen, sein.

Dieses neue Haus soll eine Symbiose mit seiner grünen Umgebung eingehen können. Eine Verschmelzung von Natur und Architektur, ja die Unterordnung des Gebauten unter das Gewachsene war Leitgedanke des Entwurfes. Da spielt auch die franziskanische Haltung von Emmaus hinein, wo es um das Sichzurücknehmen vor der Schöpfung geht, nicht um Repräsentation, wo gestaltendes Dienen im Vordergrund steht, wo die Gottheit, die „Rendite“ heißt, im Hintergrund bleibt.

Aufregendes Design war nicht gewollt und wird nicht gezeigt, hier ist weniger mehr – und mehr wird nicht gebraucht. Der Bau muss – wie schon überall zu sehen ist – altwarenmöbelkompatibel sein. Die neue Architektur kann das – ob sie will oder nicht – aushalten, auch wenn diese Position für den Architekten  gewöhnungsbedürftig war.

Der Ausspruch des römischen Architekten Massimiliano Fuksas „LESS AESTHETICS – MORE ETHICS“ könnte auch hier als Leitsatz dienen.

Einfache Volumetrie, als simple Quader in L-Form angeordnet, charakterisiert die räumliche Komposition. Ein z.T schiefes Prisma überragt seine Umgebung – der Speisesaal – und wird zum Merkzeichen. Dieser Speisesaal ist der wichtigste Raum im Gebäude, nicht nur als Volumen, sondern auch als Zentrum des Gemeinschaftslebens, der Mahlgemeinschaft im trivialen Sinn, aber auch als Zentrum der von Emmaus so erfolgreich praktizierten „Pädagogik des Aufgenommenseins“ in eine Gemeinschaft.

Rein pragmatisch gesehen ist die Höhe des Raumes von cirka sechs Metern auch deshalb in dieser Dimension entwickelt worden, da man in einem weiteren Ausbauschritt eine Galerie einfügen möchte, um noch mehr Platz zur Verfügung zu haben. Denn eines ist allen Beteiligten schon in der frühen Planungsphase klar geworden: es wird immer zuwenig Platz da sein, der Wunsch nach Vergrößerung wird ein permanenter sein. Einrichtungen, wie dieses Emmausprojekt, wird es in Zukunft noch viele geben müssen.

Doch lassen Sie mich wieder zurückkehren, zur Philosophie der Askese und der Thematisierung der Ausgewogenheit zwischen Gebautem und der Natur.

Diesem Ansatz entspricht auch die Materialwahl der Fassaden. Weiß geputzte Ziegelwände und naturbelassene Holzverkleidung aus Lärchenbrettern, die verwittern, bestimmen das äußere Erscheinungsbild. Wo Stahlteile zum Einsatz kommen, sind diese unspektakulär verzinkt anzutreffen, wie bei Industriebauten üblich. Die Detailarbeit tritt nicht schreiend zutage, sondern manifestiert sich im Selbstverständlichen, entspricht dem Notwendigen und der Angemessenheit der gestellten Bauaufgabe.

Die Gesamtkomposition kennt keine Schnörkel, keine Gags, keine formalen und konstruktiven „Heuler“, eher die Schlichtheit, die Zurücknahme, auch das kann eine Botschaft sein.

Noch steht das Neue in der Natur, ist noch ein wenig glatt und blank. Aber in einigen Jahren könnte die Vorstellung wahr werden, dass die Grenzen zwischen Natur und Bauwerk verschwimmen, und die Natur wieder die dominante Rolle spielt, mit ein wenig  hoffentlich brauchbarer Architektur, dazwischen, aber nur dazwischen.