Ein Realisierungswettbewerb, was ist das?

Ein Realisierungswettbewerb, was ist das?

Aus aktuellem Anlass – demnächst wird der Architekten-Wettbewerb zur Neugestaltung des Herzogenburger Rathausplatzes über die Bühne gehen, möchte ich heute versuchen, den Ablauf eines solchen Wettbewerbes zu erläutern.
Dabei beschränke ich mich auf die Ausführung zum so genannten „geladenen Realisierungswettbewerb“ und will Sie nicht mit anderen Formen der Auslobung verwirren.

Ein „Realisierungswettbewerb“ dient dem Auslober, das ist der Auftraggeber eines Wettbewerbes, der Findung eines Planungspartners für die Realisierung eines Bauvorhabens. Im Gegensatz dazu steht der Ideenwettbewerb, welcher der Findung von Planungsideen, also Konzepten, für ein bestimmtes Bau-Areal dient.

Die Spielregeln eines Wettbewerbs sind im Bundesvergabegesetz bzw. in der Wettbewerbsordnung für Architekten zu finden.
Danach hat ein Wettbewerb (im Gegensatz zu anderen Verfahren) anonym abzulaufen, das heißt, weder die Teilnehmer wissen, wer ihre Mitbewerber sind, noch weiß die Jury, welches Projekt welchem Planer zuzuordnen ist.
Beim „geladenen“ Wettbewerb wird eine kleinere Anzahl (4-6) von Planern vom Auslober ohne vorheriges Ausscheidungsverfahren zur Mitwirkung am Wettbewerb eingeladen Trotzdem werden meist vorher von den zu Ladenden Referenzen eingeholt.

Der Ausschreibungstext, der meist vom Berater des Auslobers formuliert wird,  gliedert sich in den „Allgemeine Teil“, in dem die Verfahrensregeln festgeschrieben sind, dem „Besonderen Teil“, in dem die Bauaufgabe erläutert wird und in den Teil der „Beilagen“. Beilagen sind z. B. Lagepläne, Bodengutachten, Verkehrserhebungen, Bestandsaufnahmen, Hochwasserkarten etc., also all jene Informationen, die als Planungsgrundlagen dienlich sind.

Das Preisgericht (Jury) gliedert sich in Fachpreisrichter und Sachpreisrichter. Erstere müssen die Qualifikation der Teilnehmer haben (bei einem Architektenwettbewerb müssen sie Architekten sein) und Sachpreisrichter, das sind Juroren, die von der speziellen Bauaufgabe besonders gut Bescheid wissen sollten (z. B bei einem Kindergartenwettbewerb wäre das die Kindergartenleiterin).Dazu können noch so genannte „Kooptierte Mitglieder der Jury ohne Stimmrecht“ als Berater der Jury beigezogen werden, z.B. Vertreter des Denkmalamtes oder Spezialisten für bestimmte Belange.
Die geladenen Teilnehmer erhalten entweder eine „Aufwandsentschädigung“ oder Preisgelder, deren Höhe sich nach der Größe der Bauaufgabe und nach dem geforderten Arbeitsaufwand richtet.

Die anonym eingereichten Projektvorschläge  (jedes Projekt ist durch eine sechsstellige Zahlenkombination zu kennzeichnen) werden vom Vorprüfer nach zählbaren und messbaren Kriterien geprüft. In einem Prüfprotokoll wird festgehalten, ob die Wettbewerbsregeln eingehalten wurden und die Aufgabe erfüllt ist. Ebenso werden Vergleichstabellen über Baukosten und Flächenangaben erstellt. Dieses Protokoll wird dann der Jury vorgelegt.

Meist bereitet der Vorprüfer auch das Ambiente für die Jurysitzung vor. In einem Saal werden die Pläne an die Wände geheftet und jedes Projekt wird mit einer fortlaufenden Zahl gekennzeichnet.
In der KONSTITUIERENDEN SITZUNG des Preisgerichtetes wird ein Vorsitzender und seine Vertretung, sowie ein Schriftführer gewählt. Der Vorsitzende übernimmt mit Sitzungsbeginn die Leitung des Beurteilungsgremiums.
Nach einer Informationsrunde, bei der sich die Juroren ein erstes Bild der eingereichten Arbeiten machen, werden verschieden Ausscheidungsrunden abgehalten, in denen per Abstimmung Projekte ausgeschieden oder zur weiteren Beurteilung vorgeschlagen werden. Dabei werden die Arbeiten nach im Ausschreibungstext fixierten Beurteilungskriterien diskutiert und analysiert, wobei der Vorsitzende die Rolle eines Moderators innehat. Jedes Abstimmungsergebnis wird protokolliert.
Am Schluss wird ein Siegerprojekt gekürt und die Anonymität durch Öffnen der Verfasserbriefe, welche außen eine Kennzahl aufweisen und im Inneren Angaben über den Verfasser enthalten, aufgehoben.
Anschließend wird jedes Projekt schriftlich kommentiert, sodass jeder Teilnehmer weiß. warum er gewonnen oder nicht gewonnen hat.

Die Jury empfiehlt nun in schriftlicher Form dem Auftraggeber, das Siegerprojekt zur weiteren Bearbeitung zu beauftragen.  Erst die Beauftragung durch den Auslober und das abgewickelte angehängte Verhandlungsverfahren nach dem Wettbewerb sichert dem Gewinner den Auftrag.
Die Qualität eines Wettbewerbes steht auf drei Säulen: dem Ausschreibungstext (Formulierung der Aufgabe), der Qualifikation der Jurymitglieder und der Teilnehmer.

*) regionale Informationsbroschüre für das untere Traisental

 

Schaukasten* August 2008