Lob der Schilfmatte

Schilfmatten finden im Bauwesen vielfältige Verwendung. Man trifft sie als Unterputzgewebe, als Trockenausbauplatten, als Trittschalldämmung, als Aussenisolierung, als Träger von Wandheizungen und vieles mehr an. All diese Anwendungen verschwinden unter Putzschichten und Vorsatzplatten.

Umso auffälliger treten Schilfmatten als Sichtschutz in neu errichteten Wohnhausanlagen zutage, wo sie zwischen den Gitterstäben von Balkonbrüstungen angebracht wurden oder die Maschendrahtzäune zwischen den Eigengärten bei Reihenhausanlagen gegen Einsicht abdecken.

Sie offenbaren zweierlei. Zu erst einmal die Mentalität der Bewohner. In unseren Breiten herrscht der Wunsch nach Abgeschlossenheit des privaten vom öffentlichen Raumes vor, ebenso das Bedürfnis nach Schutz vor Einsicht der Nachbarn.

In Holland ist das anders, dort kann man beim Spazierengehen jeden Bewohner bis in die Suppenschüssel schauen (die haben auch keine Vorhänge!!) und keiner nimmt Anstoß, das ist eben so.

Zum Zweiten zeigt uns die Schilfmattenabschottung, dass die „Bauaufgabe Eigengarten“ in dichten Wohngebieten nach besseren Lösungen schreit, als allgemein üblich. Das Problem liegt weniger in der Flächenzuordnung als in der formalen Ausbildung deren Begrenzungen.

In vielen Wohnhausanlagen wird aus wirtschaftlichen Überlegungen oder aufgrund der schwierigen Bodenverhältnisse auf den Keller verzichtet. Stattdessen werden Holzhütten errichtet, die als Abstellräume dienen. ( Eine Neuinterpretation der klassischen „Schupfen“. Da werden dann die Schier, der Rasenmäher und die Gartenmöbel gelagert ) Würde man diese mit blickdichten mannshohen Holzzäunen an die Häuser anbinden und diese begrünen, könnten uneinsichtige Zonen entstehen, die für „outdoor- Sitzplätze“ besten geeignet erscheinen und schon wären einige Quadratmeter an Schilfmatten entbehrlich.

Eine gute Lösung, um Außenräume klar zu definieren, stellen Mauern dar. Man denke nur an südländische Inselsiedlungen auf den Kykladen oder in Apulien, an orientalische Städte, aber auch an Beispiele von verdichtetem Flachbau von Roland Rainer in unseren Breiten.

Mauern lassen öffentliche Räume entstehen anstatt der gängigen „öffentlichen Zwischeräume“, die wir von Einfamilienhaus-Siedlungen gewohnt sind. ( Die „Bauwiche“ sind ja zu “nix“ gut !! )

In Kombination mit einer pflegeextensiven Begrünung (Kletterpflanzen) würde eine solche Gestaltung eine gute Lösung darstellen und die Schilfmatten überflüssig machen. Leider fallen solche Vorschläge sofort dem Rotstift des Bauträgers zum Opfer (dafür wird viel Geld in die anfällige wartungsintensive technische Ausstattung der Häuser gesteckt, (die Förderung gibt’s vor !)) und übrig bleiben nabelhohe Maschendrahtzäune, die nur darauf warten, mannshohe Schilfmatten halten zu dürfen. So entstehen Freiräume, die uns, auch durch ihre problematischen Gartennmöblierungen, mehr an südamerikanische Slumquartiere erinnern, als anReihenhausgärten in hochwertigen Wohnanlagen.

Also doch ein Lob der Schilfmatte?

Artikel in ‚Der Schaukasten’ November 2012