Vom Altern

Nein, es ist keine Abhandlung über das menschliche Altwerden, über Pflegeheime oder das Betreute Wohnen.

Heute möchte kurz ich einige Aspekte über das Altern von Gebautem aufzeigen. Der Alterungsprozess verändert alles Geschaffene, nicht nur der Mensch bekommt Falten und graue Haare, auch ein Gebäude wird durch die Zeit verändert, das eine mehr,  das andere weniger.

Die Einflussfaktoren sind vielfältig. So hat der Standort und somit das klimatische Umfeld einen großen Einfluss darauf, wie gut oder schlecht ein Bauwerk altern kann. Denken Sie nur an die wunderbar erhaltenen Funde aus dem Alten Ägypten. Stoffreste oder Holzskulpturen, die mehrere tausend Jahre alt sind, können heute in Museen bewundert werden, weil diese nie der Feuchtigkeit ausgesetzt waren, sondern vom Wüstensand konserviert worden waren. 

Wie gut oder schlecht ein Bauteil altern kann, hängt auch von seiner stofflichen Beschaffenheit und von seiner Verarbeitung im Gefüge des Bauwerkes ab. Wird Holz dem Wasser ausgesetzt, so ist es in seiner Lebensdauer gefährdet, sofern das Wasser nicht abfließen kann .Es gibt Dachstühle aus der Gotik, die heute noch in hervorragendem  Zustand sind, da die Dachdeckung  einem stetigen Wartungsprozess unterzogen worden war.

Generell können wir sehen, dass es Baustoffe gibt, die gut altern können und solche, die überhaupt nicht gut altern können. Gut altern heißt, dass die Veränderungen über die Lebensdauer hinweg auch eine gewisse positive ästhetische Komponente in sich bergen, wie zum Beispiel eine „Patina“ ausbilden.

So gibt es angeblich an der Kuppel der Wiener Karlskirche Kupferteile, welche noch aus der Entstehungszeit stammen sollen.

 Besonders gut altern können meiner Meinung nach Bauten aus Stein, wie die romanischen Sakralbauten und dgl.. Hingegen kann die Moderne Architektur, die wir heute mit einer Unmenge von verschiedenen kurzlebigen Baustoffen produzieren, schlecht altern. Die hoch wärmedämmenden Schaumstofffassaden werden sicher nicht einige Jahrhunderte überdauern, von Flachdächern will ich gar nicht reden.

 

Unsere heutigen Bauten, voll gestopft mit Haustechnik, sind Maschinen, die anfällig sind und oft schon in der Planung auf Amortisation und Wiederverwertung ausgerichtet. Sie können schlecht altern, genauso wie ein Auto schlecht altern kann, entweder ist es in Schuss oder es ist eine „Rostschüssel“, nur Oldtimer, sind die Ausnahme, aber diese sind ja Liebhaberexemplare und nicht mit dem konventionellen Gebrauchsgegenstand Auto zu vergleichen.

Bestünde Venedig aus hoch technisierten Gebäuden, wäre der leise Verfall nicht romantisch und malerisch, sondern keine Reise wert.

 Heute wird bei der Planung in den seltensten Fällen auf die Alterungsqualität von Baustoffen geachtet, Hauptsache kostengünstig und rasch kann gebaut werden. Und diese Sichtweise wird sich mit voranschreitendem Diktat nach „Wirtschaftlichkeit“ noch intensivieren, leider.

 

Schaukasten November 2008